Beobachtungen beim Siamesischen Kampffisch

Autor: Franz Häring, Neutraubling, Deutschland
Datum: 2006-07-02

Abstract

In einem Moor-Aquarium halte ich zur Bekämpfung der Mückenlarven vier Guppies und einen männlichen Siamesischen Kampffisch. Mir fiel auf, dass der Kampffisch, der für seine Aggressivität bekannt ist, nach dem Reinigen der Scheiben nicht auf sein Spiegelbild losging, so wie es sogar die relativ wenig aggressiven Guppy-Männchen taten. Ich stellte darauf hin einen metallischen Spiegel (CD) ins Aquarium, worin der Kampffisch sofort und mit extremer Aggression reagierte. Hypothese: Der Kampffisch kann zwischen einem Spiegelbild von einem dielektrischen und einem metallischen Spiegel unterscheiden.

Beobachtung

In diesem Sommer habe ich in einem 1-Meter-Aquarium ein Stück Moor angelegt. Es besteht aus zwei typischen Moorboden-Proben, die etwa 3/4 der Fläche einnehmen, und dazwischen Wasser mit einer Tiefen von 0 bis etwa 15cm. Es wird nie Futter gegeben, nur etwa wöchentlich gereinigt und das Wasser zu etwa 1/3 ausgetauscht. Es war von Anfang an eine große Vielfalt an Wirbellosen vorhanden (Käfer, Würmer, Schnecken, Spinnen, verschiedene Insektenlarven). Da sich nach kurzer Zeit massenhaft Mückenlarven entwickelten, setzte ich zuerst 4 Guppies (2m, 2w) ein, dann einen männlichen Siamesischen Kampffisch. Die Guppies haben inzwischen etwa 10 Junge.

Die beiden Guppy-Männchen sind mäßig aggressiv gegeneinander, verstärkt nach einer Trennungsphase. Der Kampffisch ist ab und zu mäßig aggressiv gegen die Guppy-Weibchen (ich nehme an, er reagiert sein Aggressionspotential an dem Fisch ab, der ihm in der Größe am nächsten kommt; die Guppy-Weibchen sind zwar deutlich kleiner als er, aber die Männchen sind dagegen Zwerge).

Nach dem Reinigen der Scheiben-Innenseiten zeigten die Guppy-Männchen, wie viele Aquarienfische, aggressives Verhalten gegenüber ihrem Spiegelbild an der Aquarienwand. Der Kampffisch  zeigte dieses Verhalten überhaupt nicht, er griff ab und zu mit abgespreizten Kiemen ein Guppy-Weibchen an. Das kam mir komisch vor. Als Physiker war mir klar, dass die Glasoberfläche ein dielektrischer Spiegel ist und wollte sehen, ob die Reaktion bei einem metallischen Spiegel die selbe ist. Ich stellte eine CD ins Wasser. Der Kampffisch attackierte sofort die spiegelnde Seite (frontal mit abgespreizten Kiemen, dann Breitseite mit Schwanzschlagen), schwamm dann um die CD herum und war verdutzt. Er wiederholte das mehrfach mit gleich bleibender Intensität.

Schlussfolgerung

Ein wesentlicher Unterschied zwischen metallischen und dielektrischen Spiegeln ist die anisotrope Reflexion von linear polarisiertem Licht an dielektrischen Oberflächen. Da der Kampffisch so aggressiv gegenüber Männchen der gleichen Art ist, dass auch in einem großen Aquarium nur einer gehalten werden kann, hätte er einen erheblichen Vorteil, wenn er sein Spiegelbild von einem echten Rivalen unterscheiden und damit Aufwand für unnötige Kämpfe sparen könnte. Es ist aber nicht anzunehmen, dass Aquarienwände eine wesentliche Rolle in der Evolution der Sensorik des Kampffischs spielten. Aber: Die Wasseroberfläche ist ebenfalls ein dielektrischer Spiegel. Ist es denkbar, dass die hohe Aggressivität einen so starken Anpassungsdruck für die Unterscheidung Spiegelbild / Rivale ausübte, dass sich eine selektive Wahrnehmung unterschiedlich polarisierten Lichts ausbildete? Es ist eine gewagte Hypothese, da solche Fähigkeiten zwar beim Insektenauge bekannt sind, beim Wirbeltierauge aber - zumindest mir - nicht. Es ist aber vielleicht trotzdem eine nähere Prüfung wert.

Hypothese 1

Im Auge des Kampffischs werden horizontal und vertikal polarisiertes Licht getrennt wahrgenommen. Wenn die Komponente, die im dielektrischen Spiegel geschwächt wird, nicht in der selben Intensität vorhanden ist wie im direkten Abbild eines Rivalen, dann wird keine Aggression ausgelöst.

Hypothese 2

Die Außenhaut des Kampffischs reflektiert horizontal und vertikal polarisiertes Licht unterschiedlich. Wenn die Komponente, die im dielektrischen Spiegel geschwächt wird, nicht in der selben Intensität vorhanden ist wie im direkten Abbild eines Rivalen, dann wird keine Aggression ausgelöst.

Geplante Experimente

Metallischer Spiegel oben

Um festzustellen, ob ein Spiegelbild von einer horizontal über dem Kampffisch liegenden Fläche überhaupt Aggression auslösen würde (wie die Wasseroberfläche als wohl einziger im natürlichen Lebensraum vorkommender Spiegel), könnte ein metallischer Spiegel knapp unter der Wasseroberfläche angebracht werden.

2006-07-08: Versuch durchgeführt (spiegelnde Seite einer CD). Ergebnis: Der Kampffisch bekämpft den Spiegel, der knapp unter und parallel zur Wasseroberfläche liegt, unverzüglich und mit hoher Intensität. Schlussfolgerung: Die Hemmung der Aggressivität gegen das eigene Spiegelbild in der Wasseroberfläche erfolgt nicht durch die spezielle Lage. Jetzt wird's spannend bei den anderen Versuchen.

Dielektrischer Spiegel mit hohem Reflexionsgrad

Um festzustellen, ob nur der im Vergleich zur Glaswand hohe Reflexionsgrad des metallischen Spiegels, der eine bessere Abbildung erzeugt, der Grund für die Aggressivität ist, könnte ein dielektrischer Spiegel mit ebenfalls hohem Reflexionsgrad verwendet werden.

Metallischer Spiegel mit niedrigem Reflexionsgrad

Um festzustellen, ob nur der im Vergleich zur Glaswand hohe Reflexionsgrad des ursprünglich verwendeten metallischen Spiegels, der eine bessere Abbildung erzeugt, der Grund für die Aggressivität ist, könnte ein metallischer Spiegel mit ebenfalls niedrigem Reflexionsgrad verwendet werden.

Messung der Reflexionseigenschaften von Glaswand und Wasseroberfläche

Um festzustellen, wie die Abbildungseigenschaften der verschiedenen verwendeten Spiegel aus der Sicht des Kampffischs sind, könnte eine kleine wasserdichte Kamera an Stelle des Auges an einer Kampffisch-Attrappe montiert werden. Die Abbildung könnte mit Polarisationsfiltern in unterschiedlichen Orientierungen gefiltert werden.

Offene Probleme

Hypothese 1 oder 2?

Wenn die übrigen Experimente darauf hin weisen, dass Polarisation eine Rolle spielt, wie kann dann unterschieden werden, ob Hypothese 1 oder 2 (oder beide) zutreffen?